Bewusstsein (Gespräch darüber, dass das Gehirn letztlich die Entscheidungen trifft)

 

 

 

 

 

 

 

 

Aktualisierte Auflage 2023

 

Da ich mich im Laufe der Jahre mit unzähligen Menschen über diese Themen unterhalten habe, und deren Meinungen oft in meine Manuskripte Eingang gefunden haben, nenne ich die GesprächspartnerInnen hier wertneutral GP.

 

 

Das Bewusstsein

 

Mit der Thematik:

Bewusstseinserweiterung

Komplexe

Weltsicht

Gefühle

Kontrolle

Verurteilung

Freiheit / Determinismus

Ich, Es, Über-Ich

 

„Du sagst, Bewusstsein ist eine Verstärkung der Sinne“, fasste GP zusammen. „Und du meinst, es trifft keine Entscheidungen.“

 

 

Bewusstsein ist verstärkte Wahrnehmung der Sensorik (das Aufnehmen von Umgebungsreizen und Körperzuständen und deren Weiterleitung), mittels einer willkürlichen oder unwillkürlichen Konzentration, um den Zielen im Gehirn möglichst genaue Informationen zu liefern“, nickte ich.

 

„Das ist eine Beschreibung, die den meisten Menschen wohl fremd ist.“

 

„Weil sie in ‚Bewusstsein‘ die ganze ‚Freiheit des Menschen‘ hineinprojizieren, ohne diese im Einzelnen unter die Lupe nehmen.“

 

„Du meinst, dabei würde letztlich herauskommen, dass es lediglich ein Informationsübermittler für das Gehirn ist?“, fragte GP.

   „Das Bewusstsein (die verstärkten Sinne) bzw. die normale Aufmerksamkeit könnte die Welt nicht ausreichend für Entscheidungen deuten, weil dies die Domäne des Gehirns ist; sie weder dessen Informationen besitzt, noch diese in der notwendigen Geschwindigkeit erfahren kann, um zu reagieren.

   Das Gehirn braucht die Informationen des Bewusstseins (der Sinne), um seine Deutung der Welt eventuell zu korrigieren und anders zu entscheiden, bzw. seine Ziele zu ändern.


 

 

"Bevor wir glauben, eine Entscheidung gefällt zu haben, hat das Gehirn bereits Millisekunden vorher entschieden – wenn, in der Regel, das Bewusstsein keine wesentlichen Informationen mehr sendet."

 

Wichtig ist zu wissen: Leben heißt immer auch: Gefühle erleben. Und dass das Gehirn deren Speicher, in den jeweiligen Neuronennetz­werken, ist.“

 

„Aber warum braucht man überhaupt das Bewusstsein, denn die Informationen von den Sinnen könnten doch auch ohne es im Gehirn gespeichert werden?“

 

„Das wird ja auch mit der normalen Aufmerksamkeit gemacht. Wenn aber etwas wichtig und wesentlich ist, muss man es genauer betrachten. Dies ist die Aufgabe des Bewusstseins.

 

Besonders die Gefühle sind eminent wichtig, weil sie für den Menschen be­züglich der Ziele eine herausragende Bedeutung haben.

 

Wie gesagt: Das Gehirn nimmt nicht wahr. Es baut uns nur die Welt nach sei­nen Zielen auf. Das heißt, die Aufmerk­samkeit bzw. das Bewusstsein nimmt sie aus dieser Perspektive auf, erlebt sie mit dieser dann jeweils vorhandenen „Realität“ und überträgt die Informatio­nen an das Gehirn.

 

Darum müssen wir Aufmerksamkeit und, in Verstär­kung, Bewusstsein ha­ben.“

 

   Die Welt ist also insgesamt, in allen Teilen, nicht so, wie wir sie sehen, sondern immer so, wie un­ser Gehirn, genauer gesagt; seine Ziele sie uns zeigen“, rekapitulierte GP.

 

„Dies ist vielen Menschen nicht klar“, nickte ich. „Für sie ist die Welt so, wie sie selbst und andere (scheinbar ebenfalls) sehen: Gleich und eindeutig.

 

Dass Ziele im Gehirn die jeweilige Welt nach unseren Anlagen und Erfahrungen machen, die nur menschliche Perspektiven hervorrufen können, ist ihnen in aller Regel fremd und unvorstellbar. Daher beachten sie es nicht weiter, bleiben bei ihrer alten Sicht.“

 

„Also können wir die Welt nicht objektiv sehen.“

 

 „Immer nur aus unserer subjektiven Perspektive.“

 

Um es noch einmal zu wiederholen:

‼ Die Welt, die sich uns zeigt, ist zwar zuerst da, aber, was der Mensch von dieser sieht, entscheidet das Gehirn nach seinen Zielen. ‼

 

Da das Wichtige immer bewusst wird, um es genauer zu betrachten und erleben, ist das Bewusstsein (einschließlich der Mittelpunkte, die betroffen sind) immer eingeschlossen.

Dies kann es aber nur sein, wenn der Mittelpunkt, in dem man gerade ist, dies Wichtige durch sein Ziel nicht entwertet. (Siehe Mittelpunkt-Mechanik)

Darüber, was ‚wichtig‘ ist, gibt es nicht selten Differenzen zwischen Mittelpunkten. Besonders auch mit dem ICH. Was dies möchte, kann von anderen Mittelpunkten geblockt werden. 

D. h., was der Mensch wahrnimmt, entscheiden die Ziele im Gehirn – also auch, was im Moment gerade wichtig ist.

Daraus folgt: Die Sinne (also das Bewusstsein) nehmen es gar nicht auf, wenn dafür keine Ziele aufnahmefähig sind, da der starke Mittelpunkt, in dem man gerade ist, diese vorübergehend im Wert gemindert hat.

 

Die Augen von GP leuchteten. „Ich verstehe, Informationen werden nicht aufgenommen, weil seitens des Gehirns im Moment kein Empfänger – kein Ziel – ist, da das augenblickliche Neuronennetz alle anderen blockt.“

Ich nickte. „Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Bewusstsein weder frei ist noch Entscheidungen fällen kann, liegt es hier klar auf der Hand.“

 

„Es gibt noch ein anderes Verständnishindernis in der Form, dass oft behauptet wird, Anorganisches, also Materie, könnte nichts Organisches erzeugen.

 

Dazu möchte ich sagen: Die ersten organischen Verbindungen entstanden vor Milliarden von Jahren aus anorganischen Substanzen. Daraus entwickelten sich im Lauf der Zeit immer komplexere Lebensformen mit differenzierten Funktionen, zu denen auch das Gehirn gehört.

 

Hier befinden sich nicht nur etwa Atome etc., sondern insbesondere auch Neuronen, Synapsen, Gliazellen, usw., die die körperlichen und geistigen Funktionen des Menschen steuern.

 

Der Anpassungsdruck des Lebens erzeugt Ziele. Das Gehirn bildet Neuronennetze, um diese auszuführen.

Viele Menschen können sich also nicht vorstellen, dass ausschließlich Ziele im Gehirn den Menschen steuern. Sie glauben, sie steuern sich selbst (mit ihrem freien Willen und ihrem Bewusstsein). Dies können sie nicht beweisen, so bleibt es bei einem Gefühl, dass es so ist und sich in ihnen festgesetzt hat.

 

So können sie auch nicht wahrnehmen, dass in diesem Fall das Ziel ihres Glaubensgefühls (dieser Mittelpunkt) es verursacht.

 

Denn, wie gesagt: Es werden nicht nur die Wahrnehmungen gespeichert, sondern auch die dadurch entstehenden Gefühle. Je stärker sie sind, umso intensiver haben wir sie mit unserem Bewusstsein erlebt.“

 

„Bewusstsein erlebt, das Gehirn reagiert, steuert und entscheidet“, rekapitulierte GP noch mal.

 

Ich nickte. „Das Gehirn zeigt uns aufgrund seiner Ziele die Welt – das Bewusstsein sieht sie zunächst aus diesen. Im zweiten Schritt erlebt es aber auch die eventuellen Unterschiede zwischen der alten aus dem Gehirn und der neuen, die er jetzt auch aufnimmt – und sendet diese Informationen an das Gehirn.“

 

„Dann müsste sich, deiner Argumentation folgend, ja auch die Welt, die wir anschließend sehen, ändern, wenn diese eine entsprechende Wertigkeit haben.“

 

„Exakt so ist es; wir nehmen sie jetzt anders wahr.

 

Dies bemerken wir in der Regel nicht, weil diese Veränderungen für das Gehirn selbstverständlich und folgerichtig sind.“

 

Lass mich kurz einmal den Ablauf skizzieren:

 

        Das Gehirn zeigt uns die Welt nach seinen Zielen.

        Das Bewusstsein sieht sie in dieser Form plus das, was dann die Sinne zusätzlich aufnehmen.

        Diese Informationen sendet es an das Gehirn.

        Dieses zeigt uns dann die Welt, die sich durch die Informationen eventuell verändert hat.

        Das Bewusstsein sieht sie daraufhin in dieser Form plus das, was jetzt die Sinne zusätzlich aufnehmen.

        Diese Informationen sendet es wieder an das Gehirn.

 

Diese Sequenzen wiederholen sich ständig – in Bruchteilen von Millisekunden. Je nach Wertigkeit, mit der normalen Aufmerksamkeit oder mit verstärkten Sinnen (Bewusstsein).

 

Das kann in Experimenten nachvollzogen werden: Was man sieht, wird zunächst ausschließlich vom Gehirn gemacht. Dann erleben wir es mit unseren Sinnen. Dies wird an das Gehirn gesendet, das es verarbeitet. Und der Aufmerksamkeit dann, je nach der Abweichung, eine korrigierte Sicht zeigt.

 

Das Bewusstsein bzw. die normale Aufmerksamkeit können die Welt nicht deuten, weil es nicht die gesamten Informationen des Gehirns besitzt. Dies kann nicht erleben, braucht diese Informationen des Bewusstseins, um seine Deutung der Welt eventuell zu korrigieren.“

 

„Ist das auch so, wenn jemand in einer völlig unbekannten Umgebung aufwacht?“

 

„Ja. Aber die Wahrnehmung der Sinne arbeitet sehr schnell – und sendet sie an das Gehirn, das sich dann, wenn es wichtig ist, blitzschnell umstellt, diese Sicht annimmt und sie bei Entscheidungen berücksichtigt.

 

Der zentrale Punkt alles Lebendigen ist die Erhaltung des Lebens. Das funktioniert am besten, indem man erlebt.

Und dies wiederum sind wichtige Informationen für das Gehirn, die es mit den jeweiligen Ereignissen koppelt und speichert. Ohne das Bewusstsein könnte man dies nicht erleben, denn, wie gesagt, das Gehirn allein kann dies nicht.

Kommt eine ähnliche Situation vor, dann werden auch die entsprechenden Gefühle wieder aktiviert.

(Die Gefahr dabei ist, wenn man die augenblickliche Situation nicht bewusst wahrnimmt, dass man nicht auf das Jetzt, sondern nach dem Damals reagiert.)

 

„Es geht also um Aufmerksamkeit“, überlegte GP.

Ich nickte. „‚Aufmerksamkeitʻ heißt, ‚bei der Sache‘ zu sein. ‚Bewusstsein heißt, die Aufmerksamkeit zu intensivieren. Letzteres tritt in der Regel viel weniger auf. 

Jedenfalls: Das Bewusstsein wäre auch gar nicht in der Lage, ohne das Gehirn abschließend ein Urteil zu bilden, weil, wie gesagt, die Menge der Faktoren dafür viel zu groß und variabel ist, um Entscheidungen bezüglich der notwendigen Aktivitäten und Handlungen treffen zu können. Es wäre schlicht überfordert. Es müsste Prozesse, wie sie sich ständig im Gehirn abspielen, selbst generieren und steuern.“

"Das wäre kaum möglich", stimmte GP zu.

  

„Aber“, warf er ein, „es wird manchmal eingewendet, dass, wenn man eine Maschine bedient, man auch nicht bis ins letzte Detail dessen Funktionen wissen muss. Es genügt, die richtigen Knöpfe zu drücken.“

„Da hätte das Bewusstsein viel zu tun und müsste wissen, welche Aktionen im Gehirn jeweils zu aktivieren sind.

Das Gehirn ist weder ein Gerät, noch eine Maschine und auch kein Computer*. Alle diese Vergleiche hinken, weil Gehirne nicht starr, wie die eben erwähnten arbeiten.

Das Gehirn ist ein durch seine Ziele sich selbst organisierendes Gebilde. Also ein Gewebe, das nach organischen Gesetzen abläuft, und sich blitzschnell in der Wertigkeit ändern kann, wenn die Anpassung es erforderlich macht.

Daher machen diese Einwände keinen Sinn! Sie sind einfach nicht richtig durchdacht.

 

Daraus folgt“, fuhr ich fort: Das Gehirn urteilt. Was man mittels der Sinne aufnimmt, kann, je nach Wertigkeit, eventuell die Entscheidung beein­flussen. Denn alle Informationen können Einfluss auf das Gehirn haben – solange dies offen und flexibel* ist – also nicht durch starre Einstellungen oder einen im Moment besonders starken Mittelpunkt geblockt wird.

Inwieweit sie aber greifen, entscheidet das Gehirn nach seinen Zielen.

Je besser man dessen Funktionen, Werte und Möglich­keiten kennt, umso mehr Einfluss kann man u.U. mit seinem ICH und dem Willen nehmen (das sich ja ebenfalls im Gehirn befindet).“

„Also: ‚Erkenne dich selbst‘?“

„Erkenne deine Ziele, also deine Psyche.  

 

Wer sich selbst beobachtet, wenn er etwas bewusst aufnimmt, wird feststellen, dass dabei seine Sinne stark aktiviert werden. Sehr viel stärker, als wenn es nur um allgemeine Aufmerksamkeit geht. 

Man nimmt das Leben mit seinen Sinnen auf, und wenn etwas Besonderes passiert, z. B. etwas Interessantes, Gefährliches, emotional bewegendes, dann nimmt man es zusätzlich intensiv mit seinem Bewusstsein, also mit verstärkten Sinnen auf.

Beschäftigt sich der Mensch mit einem speziellen Thema, dann braucht er gezielte Informationen.“

„Das jeweils gebildete Ziel konzentriert sich gegebenenfalls also auf das Thema, und das Bewusstsein (also die verstärkte Wahrnehmung) liefert dem Gehirn dadurch genauere Fakten“, schloss GP.

 

„Zum Beispiel das Denken“, erläuterte ich.

GP hob die Hand. „Darf ich kurz dazwischenfragen?“

 

Ich nickte ihm zu.

 

„Wie definierst du ‚Denken?‘“

 

„Denken ist ein Prozess, der in den Mittelpunkten, also Neuronennetzen, Fragen zu beantworten sucht. – Hier findet sich alles, was der Mensch an Ererbten und Erfahrenem in sich trägt.

Dadurch ergibt sich die Schleife: Frage>Antwort>erneute Frage>Antwort, usw.“

 

„Die Sinne (hier als der Geist des Menschen) suchen aufgrund eines Reizes oder einer Frage nach Informationen in der Außen- bzw. Innenwelt und senden sie sofort an das Gehirn. Dies sucht nach Erfahrungen oder Ähnlich­keiten. Diese Zwischenergebnisse werden einem wieder bewusst usw. Das Wechselspiel geht so lange, bis man ein stimmiges Gefühl hat oder nicht mehr weiterkommt. Das Endprodukt des Denkens wird vom Gehirn formuliert und erst Bruchteile von Sekunden oder später bewusst.“

GP überlegte. „Was dabei herauskommt, wird also vom Gehirn entschieden bzw. formuliert?“

„Ja, von dem Neuronennetz des Zieles, das für diese Suche gebildet wurde, und die letztendliche Entscheidung trifft. Und alle anderen nicht relevanten Neuronennetze ausschließt.

Der Grund, dass der Mensch glaubt, er habe sich mit seinem Bewusstsein entschieden, liegt in der sehr kurzen Zeitspanne – oft sind es, wie gesagt, nur Millisekunden – zwischen der Entscheidung des Gehirns und dem Bewusstwerden (also, das Aufnehmen mit den Sinnen).

Bezüglich wichtiger Themen findet immer ein Wechselspiel zwischen Gehirn und Bewusstsein statt, weil das Gehirn nur eine begrenzte Anzahl von aktuellen Informationen besitzt und darauf angewiesen ist, dass das Bewusstsein als Verstärker der Sinne eventuell neue Fakten hinzufügt.“

„Nur die wichtigsten Sachen werden also bewusst?“

„Ja.“

„Wer entscheidet, was wichtig ist?“

„Die Ziele mit ihren Mittelpunkten.“

„Es gibt viele Menschen, die behaupten, man entscheide alles mit seinem Bewusstsein“, kam GP noch einmal auf dieses Thema.

„Es ist unglaublich, was es alles bedeuten soll“, sagte ich. „Wenn man einmal die Definitionen durchforstet, liest man: Das Wissen von bestimmten Fakten, das Erinnern an bestimmte Ereignisse, Summe der Überzeugungen und Standpunkte usw.

Und sinnverwandte Wörter für das Bewusstsein sollen etwa sein: Intelligenz, Erinnerung, Überzeugung.

Das Bewusstsein müsste also auch vollständigen Zugang zum Gehirn haben, die relevanten Daten dort ‚auslesen‘ und diese Daten bewerten, um eine Entscheidung treffen zu können. Nach der Entscheidung müsste es erneut in die neuronalen Netze des Gehirns eingreifen, um beispielsweise Bewegungen zu starten, die zur Ausführung der von ihm gewählten Aktion erforderlich sind.

Alle dies trifft exakt auf das Gehirn zu. Wenn man aber das Bewusstsein einmal überprüft, was es davon repräsentiert, sucht man vergebens. Weil es nicht dafür geschaffen ist, dies mit sich herumzutragen und es auch gar nicht kann.“

„Die Menschen sagen also, dass sie sich selbst steuern mit ihrem Bewusstsein, weil sie sich nicht selbst genau beobachten, weil diese Ansichten für sie selbst­verständlich sind. Sie plappern einfach nur nach, aus Gewohnheit, was andere Menschen sagen bzw. was sie mal gelernt haben. Dazu gehört auch, das Wort Bewusstsein unreflektiert zu gebrauchen.“

 

„Das trifft den Nagel auf den Kopf“, bestätigte ich.

„Sie nehmen es einfach so hin.“

„Ja, weil sie die Aussage, dass der Mensch ein von Zielen des Gehirns geleitetes Wesen ist, entweder noch nicht gehört haben oder aber nicht hören wollen. Es stört ihre gewohnten Ansichten von der Welt, in der sie bleiben wollen.  Entsprechend forschen sie in dieser Beziehung auch nicht nach.“

„Wenn ihnen dies alles zu kompliziert ist, wäre schon viel geholfen, wenn sie für Bewusstsein lediglich Wahrnehmung sagen.“

„Trifft das auch für Wissenschaftler zu?“

 „Überwiegend ja. Ihre Gefühle lassen sie diese Tatsachen nicht sehen.“

„Kommt das durch die Mittelpunkt-Mechanik?“

„Ja. Sie sind in deren Gefühlen. 

Diese erzeugen auch die Meinung, dass das Bewusstsein etwas ist, das nur Menschen haben, und diese sich damit steuern.

--- Bewusstseinserweiterung ---

Nebenbei: Auch der Ausdruck ‚Bewusstseins-Erweiterung‘ kommt aus dieser Einstellung. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, sagt man damit: Die verstärkten Sinne sollen mehr Informationen aufnehmen als üblich (was wohl manchmal auch nicht so falsch wäre).“

„Menschen, die dieses Wort gebrauchen“, bemerkte GP, meinen damit wohl eher eine Art von spirituellen, metaphysischen Erfahrungen.“

„Sicher. Wenn sie so ein Ziel in sich erzeugen, dann wird sich ein Mittelpunkt bilden, der ihnen dies Gefühl gibt. Dies geschieht natürlich nur in ihren Gehirnen.

Und macht nicht wirklich Sinn: Denn Bewusstsein ist lediglich verstärkte Wahrnehmung der Sinne. Bewusstseinserweiterung würde damit heißen; Die verstärkte Wahrnehmung zu verstärken.

 

Jedenfalls“, fuhr ich fort, „die Experimente von Libet und anderen (wissenschaftliche Schriften von Benjamin Libet, 1983; Keller und Heckhausen, 1990; Haggard und Eimer, 1999; Miller und Trevena, 2002 u. a.) zeigen eindeutig, dass, bevor von einer Person scheinbar eine Entscheidung mit dem Bewusstsein getroffen wurde, das Gehirn diese Entscheidung bereits gefällt hat. Man kann also nicht bestreiten, dass das Gehirn entscheidet und nicht das Bewusstsein.

 

Eine besondere Schwierigkeit war, dass man es in früheren Zeiten nicht genau definieren konnte: Bewusstsein war ein Etwas, das zwar nicht im Gehirn gefunden wurde, aber, so meinten die Menschen, die eigenen Handlungen steuert. Denn der Glaube an Übersinnliches, in diesem Fall ein ‚Bewusstsein-Geistwesen‘ war weit verbreitet.“

„Sie nahmen das Bewusstsein als metaphysischen Geist, ähnlich dem Geist Gottes, ohne es weiter zu hinterfragen.

Ich nickte. „Und das ist heute leider in der Regel immer noch so.

Die Tatsache, dass das Gehirn entscheidet, ist durch die Experimente von Libet und anderen Wissenschaftlern eindeutig dargelegt worden. Die sogenannte ‚Freiheit des Bewusstseins‘ ist niemals belegt worden.“

 

„Aber warum halten gebildete Menschen auch heute noch an ihrer Version, dass dieses alles entscheidet, fest?“

 

„Es passt gut in ihr Weltbild und wurde seit jeher angesehen als Erkenntnis- und Entscheidungsinstanz. Man war und ist sich sicher, dass damit die gesamte wahre Welt erkannt werden konnte. Früher erklärte einem das Gehirn – weil es nichts anderes kannte –, dass die Welt eindeutig sei – um damit gut umgehen zu können – und sie von dem Menschen mit seinem Bewusstsein wahrgenommen und erkannt werden könne. Das hob den Menschen natürlich weit über die Tiere hinaus. Dieser Glaube ist spätestens seit dem Aufkommen der Relativitätstheorie und Quanten-mechanik und ihrer experimentellen Bestätigung vorbei:

 

Die Welt ist weder eindeutig, noch aus jeder Perspektive gleich.

Geblieben aber ist generell in den Menschen die Vorstellung vom Bewusstsein, das die Entscheidung trifft. Weil dies ja, ihrer Logik folgend, alles erkennt. Diese Meinung schließt natürlich das Gehirn – als genereller Entscheider – aus.

 

Aber das Bewusstsein ist lediglich eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Gehirn und der Außenwelt“, wiederholte ich. „Nur mit seinen Sinnen – und es ist ja eine Verstärkung dieser – ist es dem Gehirn möglich, gezielte Informationen von außen und natürlich auch von innen zu bekommen.“

 

„Ist also etwas wichtig, dann werden die Sinne verstärkt und das Bewusstsein kommt ins Spiel“, wiederholte GP.

 

„Stell dir vor, du hättest das Ziel, eine wichtige Entscheidung zu treffen, zu wählen oder ein Urteil aufgrund relevanter Fakten auszusprechen, und das alles solltest du in jeder einzelnen Sequenz nur mit deinem Bewusstsein machen, wie viele Menschen annehmen.

 

Oder nehmen wir die Sprache, diese läuft ja automatisch ab. Man hat gelernt, wie man am besten spricht, sich artikuliert usw. Ein geübter Sprecher konzentriert sich natürlich nicht auf die einzelnen Punkte der Sprache, sondern das Bewusstsein konzentriert sich auf das Thema, um das es geht.

 

Das Sprechen, die Gestik, die Mimik, die man macht, dies alles ist im Laufe des Lebens erlernt und vom Gehirn gespeichert worden und kommt, wenn man sich unterhält, zum Ausdruck. Da hat das Bewusstsein nichts mitzutun, es sei denn, man verhält sich verkehrt, macht Fehler, dann wird es in der Regel sofort aktiv und liefert entsprechende Informationen an das Gehirn. Dieses versucht dann, eine Korrektur oder Verhaltensänderung herbeizuführen.

 

Stell dir vor, du müsstest alle deine Worte nur mit deinem Bewusstsein wählen. Zum Beispiel auf einer Party. Und frag dich jetzt mal, was du davon wirklich bewusst steuerst. Das heißt: Wie du deine Bewegungen einsetzt, wie du sprichst, die Mimik usw.“

 

„Das ist tatsächlich unmöglich, dazu braucht man die erlernten Routinen aus dem Gehirn“, stimmte GP mir zu.

 

 

"Ja, die jeweiligen Mittelpunkte."

 

„Du sagst, nur die relativ wichtigsten Sachen kommen einem ins Bewusstsein. Aber wie ist es denn, wenn ich gerade mit einem wichtigen Thema beschäftigt bin und konzentriere mich darauf und plötzlich kommt mir etwas ins Bewusstsein, das mit dem augenblicklichen Mittelpunkt nichts zu tun hat?“

 

„Nun, das Gehirn ist hier von einem Mittelpunkt zu einem anderen gesprungen, weil dieser die Aufmerksamkeit in Anspruch nahm oder weil der bisherige vielleicht einfach von selbst lief und nicht mehr das Bewusstsein brauchte. Oder der andere Mittelpunkt schien dem Gehirn in dem Augenblick wichtiger, weil etwa eine Frage, die schon lange in einem lag, jetzt beantwortet werden konnte. Dies kommt nicht selten bei kreativen Menschen vor. Vielleicht wurde auch einfach nur das Interesse bezüglich irgendeines Themas geweckt.

 

 

Nebenbei: Dazu fällt mir ein, wenn man etwas vergessen hat, was man gerade wollte, dann kann es helfen, sich zu fragen: ‚Welches Ziel hatte ich gerade?‘“

 

„Du meinst, man ist dann zu einem anderen Mittelpunkt gesprungen, und wird von dem vorhergehenden weniger gestaltet?“

 

Ich nickte. „Es ist wie beim Priming.

 

Und generell gilt: Eine sehr starke Konzentration ist immer nur für eine eingeschränkte Zeit möglich, weil sie ab einem gewissen Punkt, physiologisch bedingt, nachlässt.“

 

 

„Und sonst lebt man ohne Bewusstsein?“, fragte GP. „Wenn alles läuft und keine neuen Fakten hinzukommen?“

 

Ich schmunzelte. „Die meiste Zeit läuft tatsächlich alles automatisch ab, das Bewusstsein ist dann quasi im Bereitschaftszustand, es herrscht während dieser Zeit die normale Aufmerksamkeit, wird aber sofort wieder aktiv, wenn etwas Wichtiges auftritt. In der Regel ist dies weit weniger der Fall, als man meinen sollte. Darüber hinaus lernt das Gehirn hinzu, und das Neue wird größtenteils schnell zur Routine, sodass das Bewusstsein dann in dieser Intensität nicht mehr gebraucht wird.

 

Wenn man sich beobachtet, wird man dies bestätigen können. Im täglichen Leben begegnet man in der Regel nicht ständig etwas aufregend Neuem oder wichtigen Ereignissen.

 

  • Die Aufmerksamkeit hat also die Aufgabe, ‚bei der Sache‘, in den jeweiligen Mittel­punkten zu sein.

 

  • Das Bewusstsein, sich gegebenenfalls zu konzentrieren, um dem Gehirn die Infor­mationen, die als sehr relevant eingeschätzt werden, nachdrücklich zu vermitteln.“

 

„Das Bewusstsein wird also immer mit intensiver Aufmerksamkeit dann aktiv, wenn dem Gehirn etwas sehr wichtig ist“, wiederholte GP.

 

„Ja. Je nachdem, auf was die Aufmerksamkeit gerichtet wird, bekommt dies einen Wert, der den Menschen gestaltet oder anders gesagt, strukturieren kann. Es handelt sich hier zunächst um die normale Aufmerksamkeit. Ist etwas besonders wichtig, dann spricht man von einem bewussten Aufnehmen.

 

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Der Zweck besteht darin, diese starken Informationen den Zielen im Gehirn zur Verfügung zu stellen, damit sie sie sofort aufnehmen und entsprechend reagieren können. Bewusstsein ist also immer auch eine Verbesserung der Informationsaufnahme der Sinne.“

 

"Also liefern Aufmerksamkeit und Bewusstsein jeweils Informationen an das Gehirn?"

 

"Ja, der Unterschied liegt in der unterschiedlichen Wertigkeit."

 

"Bewusstsein ist nicht so oft aktiv."

 

"Wie ich schon sagte: Wenn man sich selbst beobachtet, kann man dies bestätigen. Im Alltag begegnet man normalerweise nicht ständig aufregenden, neuen oder wichtigen Ereignissen.

 

Aber hier sollte man unterscheiden: Jugendliche und insbesondere Kinder haben mehr Bewusstsein als Erwachsene. Bewusstsein im Sinne einer gesteigerten Wahrnehmung. Weil die Welt noch neu ist und sie ihre Erfahrungen sammeln. Das heißt aber nicht unbedingt, dass deren Wahrnehmung den Tatsachen entspricht (weil ja die Ziele im Gehirn die Wahrnehmung leiten).

 

Umgekehrt scheint es, dass, je älter man ist, desto weniger nimmt man neues in sich auf. Die Erfahrung zeigt, dass die neuronale Plastizität begrenzt ist. Dies gilt jedoch weniger für Bereiche, die Menschen lebenslang interessiert haben.

 

Viele Mittelpunkte sind im Laufe der Jahre fester geworden, aber auch starrer und schließen leider oft neue Dinge aus, die für die Mittelpunktmechanik scheinbar nicht passen.

 

Dazu könnte noch interessant sein: Bis man ca. 28 Jahre alt ist, arbeitet das Bottom-up – die nachhaltige Informationsaufnahme, die zur Wertgestaltung des jeweiligen Menschen dient. Danach erfolgt das Bottom-down – das Agieren mit sich gefestigten Informationen. (Aus der erfolgten Wertgestaltung agiert man.)

Nebenbei: Der Inhalt dieser erworbenen Informationen und Werte ist allerdings in aller Regel nur marginal wissenschaftlich abgesichert.

 

Das Bewusstsein weckt oder generiert Ziele aufgrund wichtiger Werte im Gehirn, wenn diese besonders berührt werden. Zum Beispiel: Überleben, neue Orientierung, gesellschaftliche Anerkennung.

 

Ist es überfordert oder man langweilt sich, dann kommt man ins Träumen.

 

In dem Moment aber, wenn man z. B. seine gewohnte Umgebung verlässt, wird auch die Aufmerksamkeit bzw. das Bewusstsein aktiver. Weil neue Fakten oder Eindrücke wichtig für das Gehirn sind, um sich zu orientieren. Bilder und Bewegungen werden bevorzugt bewusst wahrgenommen.“

 

 

„Welcher Mechanismus mag dahinterstecken, wenn man mit einem Thema nicht weiterkommt, obwohl man meint, die Lösung zu wissen?“, fragte GP nun.

 

„Es ist ein Mittelpunkt, der blockiert. Man hat sich z. B. verrannt, und in dieser Sackgasse kreisen die Gedanken. Der gleiche Mechanismus greift, wenn man etwa von Wut beherrscht wird. Allgemein gesagt: Immer, wenn ein Mittelpunkt da ist, der andere stark einschränkt.“

 

„Da fällt mir ein“, meinte GP, „wenn man dann darüber geschlafen hat, fällt einem die Lösung oft am nächsten Tag ein.“

 

„Das kommt, weil der blockierende Mittelpunkt in der Zwischenzeit an Wert verloren oder sich aufgelöst hat. Man hat Abstand gefunden. Im Schlaf hat das Gehirn die Aufgabe, die Erfahrungen des Tagesgeschehens zu integrieren, zu lernen und unter Umständen eine andere Sicht durch Umstrukturierung zu erzeugen. Dazu benutzt das Gehirn bevorzugt die Kreativität, in die die Mittelpunkte des Tagesgeschehens nicht störend eingreifen können.“

 

„Man sieht die Dinge in einem anderen Licht“, überlegte GP.

 

„Ja, die Einstellung ändert sich. Mit anderen Worten: Die übrigen Mittelpunkte, die mit diesem Thema assoziiert sind, wurden neu bewertet oder es kamen andere hinzu. Es sei denn, dieser Sackgassen-Mittelpunkt wirkt in der gleichen Form weiter. Dann hat man sozusagen einen Komplex.

 

Nebenbei: Wir alle wissen, dass das Gehirn bezüglich des Erkennens und besonders das Gefühl sich täuschen können. Daher sollte man, bevor man etwas Wichtiges entscheidet, eine Nacht darüber schlafen.“

 

--- Komplexe ---

 

„Erkläre ‚Komplex‘ bitte noch mal.“

 

„Es ist ein Mittelpunkt, also ein Neuronennetz, das unfähig ist, sich anzupassen und Änderungsversuchen einen starken Widerstand entgegensetzt.“

 

„Er hat sich verkapselt?“

 

„Ja, im Gegensatz zu den Mittelpunkten, die immer dazulernen können.

Oder zu den Clustern. Das sind Neuronennetze, die gelernten oder angeborene Abläufe ausführen und anpassungsfähig sind – wie das Saugen des Kleinkindes an der Mutterbrust, zu laufen oder das Zubinden der Schuhe.“

 

„Ein Cluster ist also ein Mittelpunkt, der u. a. für Routinen zuständig ist, wie Bewegungsabläufe, immer wiederkehrende Handlungen, gelernte Reaktionen. Kannst du ein anschauliches Beispiel geben?“, hakte GP nach.

 

„Nun, etwa ist ein Tic – eine kurze und nicht beeinflussbare motorische Kontraktion einzelner Muskeln im Gesicht – ein Komplex. Dagegen ist die normale Mimik ein Cluster.“

 

„Es gibt, wie du schon sagtest, sehr viele Cluster in einem – Fertigkeiten, gelernte Abläufe, Handlungsweisen, Einstellungen usw.

 

Noch mal zurück zum Komplex: Dieser bedeutet eingeschlossen?“

 

„Ja, er umgibt sich mit Mauern. Er hat das Ziel, bestimmte Einstellungen, Haltungen, Reflexe unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, und beeinflusst andere Mittelpunkte mit seiner Eigenart, das, was er in einer bestimmten Situation einmal gelernt hat, beizubehalten.

 

Dazu kommen noch u.a. Lebens-Komplex, Erzeuger-Komplex, Komplex, jemandem zu folgen: Diese liegen ganz in der Tiefe des Menschen, in seinen Urstrukturen. Damit wird er geboren und sie sind quasi nicht zu ändern.

 

 

   Lebens-Komplex:

Solange zu leben, wie es irgendwie geht, egal unter welchen Umständen.

 

       Erzeuger-Komplex:

Die Triebfeder, Nachkommen zu erzeugen, egal unter welchen Umweltbedingungen.

 

       Komplex, jemandem zu folgen:

Die Hingabe an jemanden, dem besondere Fähigkeiten zugesprochen werden und man bis zur Blindheit vertraut.

 

Wie bei allen Komplexen gibt es hier die Gefahr der Nichtanpassung an die veränderten Verhältnisse.“

 

„Das heißt“, überlegte GP, „sie sind starr und agieren nicht wie andere Mittelpunkte, die flexibel sind und im Konzert der Ziele des Gehirns mitspielen.“

 

„Ja, sie agieren nicht wie die gesunden Mittelpunkte, lernen nicht dazu und stören somit die Flexibilität, die Anpassung des Gehirns. Das ist natürlich ungünstig: Die Außenwelt verändert sich ständig. Zentraler Punkt des Lebens allgemein und die daraus resultierende Anforderung sollte sein, dass sich der Mensch diesen Veränderungen anpasst.

 

Das ist in der Regel ja auch der Fall. Komplexe verhindern dies aber, ebenso wie etwa Vorurteile, Verblendung, Starrsinn, Intoleranz. Und besonders Fanatismus oder Dogmatismus.“

 

„Dies findet man ja recht häufig“, bemerkte GP.

 

--- Weltsicht ---

 

„Da habe ich noch mal eine Frage“, fuhr er fort. „Abgesehen von der offensichtlich nicht zu widerleg­baren Tatsache, dass alles aus Substanzen besteht, die nach Gesetzen ablaufen: Wie könnte man sich erklären, dass es Menschen gibt, die glauben, ihre Sicht der Welt sei die einzig wahre?“

 

„Das sieht man besonders deutlich bei Extremisten, Fanatikern, Strenggläubigen, Menschen, die wie vernagelt sind“, ich nickte.

 

„Aber auch die anderen ‚normalen‘ Menschen haben feste Ziele. Dies sind ihre Anker, also ihre Bezugspunkte, von denen aus sie agieren und die Welt bewerten.“

 

Wer sich im Klaren ist, dass seine Perspektive nur eine von vielen möglichen ist, der läuft weniger Gefahr, dass ihm das Aufgeben eines Mittelpunktes den Boden unter den Füßen wegzieht.

Leider verringern die Mittelpunkte auch hier alles andere im Wert, das sie nicht unterstützen.

 

Zur Klarstellung:

Die Welt, die wir sehen, ist natürlich weiterhin da, auch wenn wir einmal nicht mehr sind. Sie würde sich aber nach der jeweiligen Wahrnehmung durch andere, von uns verschiedene, Wesen verändern.

 

Denn eine letztlich immer gleiche Welt gibt es nicht.

 

Was ewig bleibt – egal aus welcher Perspektive man sie sieht – ist, dass identische Substanzen unter identischen Bedingungen immer identische Ergebnisse zeigen.

 

 

Viele Menschen weigern sich, einen Mittelpunkt aufzugeben, auch wenn es ihnen dämmert, dass dieser schädlich für sie ist. Unter anderem deswegen, weil sie Angst haben, ihren Halt zu verlieren.

 

Diese Angst ist für Extremisten und Streng-Gläubige jeweils aktueller als für andere Menschen, weil sie überwiegend nur von einem oder wenigen Mittelpunkten gestaltet werden. So könnte ihre Welt tatsächlich auseinanderfallen.

Je mehr Mittelpunkte in einer Person flexibel spielen und miteinander kommunizieren können, desto besser ist es."

"Weil andere starke Mittelpunkte das innere System ändern können?"

"Ja, besonders wenn Sie sich nicht nur auf einige Mittelpunkte in Ihrem Leben konzentriert haben, sondern auf Vielfältige."

"Du meinst, wenn sie sich nicht nur auf ihre Ideale, ihre Familie konzentrieren, auf eine geliebte Person, auf die sie fixiert sind, den Beruf, ihr Hobby, usw. Sie können durch diese Mittelpunkte gefährdet werden, wenn Sie vollständig in sie vertieft sind, auf lange Sicht nichts anderes sehen?"


"Ich glaube schon."

   

 „Aber muss man seine besonderen Mittelpunkte denn aufgeben?“, fragte GP weiter.

 

„Das braucht man nicht unbedingt. Worauf man aber achten sollte, ist, dass die Mittelpunkte, die man z. B. liebt, auf Dauer einen Platz in einem bekommen, der garantiert, dass andere ihre Wertigkeit mehr oder weniger behalten.“

 

„Also, dass ein Mittelpunkt kein dominanter Herrscher wird.“

 

„Ja, das ist wichtig für die innere Harmonie.“

 

„Das erinnert mich an Komplexe, von denen wir eben sprachen.“

 

„Mittelpunkte, die nicht selten alles beherrschen, kann man als Komplexe ansehen.“

 

„Also sollte man versuchen, sie zu verändern oder aufzulösen“, schlug er vor.

 

„Das ist in aller Regel schwierig. Hat man einen Komplex erkannt und versucht, ihn zu bearbeiten, dann kann dies auf erhebliche Widerstände treffen.“

 

„Welche Möglichkeiten siehst du?“

 

„Man kann die Psyche des Menschen, also die Ziele im Gehirn, aufgliedern in zugängliche und schwerer zugängliche.

 

Falls ein Komplex das gesunde Verhalten stört und man ihn selbst nicht ändern kann, ist es die Aufgabe etwa eines Therapeuten, diesem Komplex Zugang zu verschaffen, um ihn zu ändern bzw. aufzulösen.

 

Die Arbeit des Gehirns läuft in aller Regel unbewusst ab. Bewusst wird sie, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Also, wenn etwas Wichtiges im Vordergrund steht, tritt das Bewusstsein in Aktion, um den beteiligten Mittelpunkten durch intensivere Wahrnehmung Information zu liefern.“

 

„Und diese Informationen nimmt der verkapselte Komplex nicht an?“

 

„Diese können sehr änderungsresistent sein wie viele Ziele.

 

Ein Komplex muss aber nicht unbedingt bis ins Kleinste analysiert, bewusstwerden, damit man ihn ändern kann. Es reicht oftmals, falls es sich um eine erlernte Verhaltensweise handelt, diese wieder zu verlernen.

 

Die Methode, etwa bei der Angst vor dem Über­schreiten großer Plätze, besteht darin, zunächst sehr kleine Plätze zu überqueren, die, wenn der Klient dabei weniger Angst verspürt, größer werden können.

 

Bei anderen ist es sinnvoller, wie gesagt, nach dem Grund, (der immer ein Ziel als Ursache hatte, warum er sich gebildet hat), zu suchen. Dadurch kann man eventuell einen Zugang schaffen, wenn das Bewusstsein einen neuen Mittelpunkt anregt, der Veränderungen herbeiführen kann.“

 

„Du meinst“, folgerte GP, „der eine wurde gelernt und könnte wieder verlernt werden. Der andere hat sich irgendwann im Laufe eines Lebens gebildet, festgesetzt und könnte durch Wiederfinden bzw. Bewusstmachen bearbeitet werden.“

 

„In allen Fällen geht es darum, einen neuen Mittelpunkt zu bilden, der mehr und mehr durch Gefühle verstärkt wird und ein Gegengewicht zu dem Komplex-Mittelpunkt bildet, der den Menschen einengt, bedrückt oder quält. Und der diesen durch den natürlichen Verlauf der Mittelpunkt-Mechanik schwächt oder lahmlegt.“

 

„Und was ist mit dem Verstand oder der Vernunft?“

 

„Diese können x-mal sagen: ‚Es ist Unsinn, was du machst oder denkst.‘ Solange man das Gefühl nicht überzeugt hat, wird es kaum etwas nützen.“

 

--- Gefühle ---

 

„Wie ist es mit den Gefühlen, wenn sie bewusstwerden?“, sprang GP auf das nächste Thema an.

 

„Gefühle sind starke Steuerungselemente im Menschen“, erklärte ich. „Sie entstehen u. a. durch das Erreichen oder Nichterreichen von Zielen.

 

Durch das Erreichen wird der Weg verstärkt, den man eingeschlagen hatte, um auch in einer ähnlichen Situation zum Ziel zu kommen. Bei Nichterreichen eines Zieles werden negative Gefühle ausgelöst, die einen davon abbringen sollen, in Zukunft den gleichen Weg einzuschlagen. Gleichzeitig drängen sie mehr oder weniger, das Ziel weiterhin zu verfolgen.

 

Das Bewusstsein gibt diese Informationen an die Ziele des Gehirns weiter, damit sie von deren Netzwerken verarbeitet werden können. Je stärker Gefühle für etwas sind, umso mehr geht der Mensch in diesem Mittelpunkt auf.“

 

„Weil dieser Mittelpunkt durch das Bewusstsein verstärkt wird?“

 

„Ja, etwa, wenn wir Musik hören.

 

Hier wird oft das Qualia-Problem der Philosophen angesprochen.

 

‚Qualiaʻ heißt Qualität, Qualität heißt ‚Wertʻ. Die Qualität eines Wertes ergibt sich aus den Gefühlen, die der Mensch dabei (bewusst) empfindet.“

 

„Qualia bedeutet also Gefühlswert.“

 

„Ja, der Mensch ist empfänglich für Musik, weil sie Gefühle in ihm erzeugt. Je schöner diese sind, umso mehr Wert haben sie für ihn.“

 

„So entsteht der Wert der Musik aus den Gefühlen, die man dabei verspürt“, umriss GP. „Das ist aber nichts Neues.“

 

Ich nickte. „Dass diese Gefühle aber durch einen Mittelpunkt, ein Ziel im Gehirn ausgelöst werden, ist etwas Neues.

 

Denn so verstehen viele Philosophen dies nicht, weil ihnen die Mittelpunkt-Mechanik unbekannt ist. Sie sagen, dass das Gehirn zwar alle möglichen Informationen wahrnehmen kann, dies aber nicht den Genuss der Musik erkläre, den wir empfinden.

 

Ich sage, dass dieser Genuss durch den Mittelpunkt entsteht, in dem ich bin, wenn ich Musik höre. Dieses Neuronennetzwerk nimmt natürlich nicht nur die Informationen auf, sondern erzeugt im Bewusstsein Gefühle, die sich in Verbindung mit dieser Musik ergeben.“

 

„Je schöner man also Musik empfindet, umso schönere Gefühle werden dadurch entwickelt“, ergänzte GP.

 

„Ja, das ist natürlich auch umgekehrt so: Je schlechter die Musik, umso weniger werden sich positive Gefühle entfalten.“

 

„Und wenn jemand ganz unmusikalisch ist?“

 

„Dann empfindet er in dieser Beziehung so gut wie nichts.“

 

„Inwieweit sich eine Qualia entwickeln kann, hängt also von dem Menschen ab, der sie empfängt“, schloss GP. „Die Qualia wird so wechselseitig vom Gehirn und dem Bewusstsein bestimmt: von einem Mittelpunkt des Empfängers, zum anderen von der Qualität des Senders.“

 

Ich nickte erneut. Hier kommt die Ganzheitlichkeit ins Spiel: Ganzheitlich empfinden heißt oft, eine Ähnlichkeit empfinden. Das kann man sehr gut an der Musik sehen: Man erkennt eine Melodie, die man im Gedächtnis gespeichert hat, auch wenn sie mit anderen Instrumenten gespielt wird. Es sei denn, die Instrumente treffen nicht den Ton, also das Wesen dieser Melodie.“

 

 

„Warum haben viele Philosophen Schwierigkeiten, diesen einfachen Mechanismus zu begreifen?“, fragte GP.

 

„Weil sie nichts von der Mittelpunkt-Mechanik wussten, also nicht diesen Schlüssel zum Gehirn hatten, sie sich das Bewusstsein als etwas letztlich nicht zu Begreifendem vorstellten, und weil Gefühle in ihren Themen oft nur Nebensache waren. Dies gilt speziell für die Anhänger des Philosophen Immanuel Kant, der die Gefühle als ‚Gegner der Vernunft‘ darstellte.

 

Dabei haben Gefühle natürlich einen sehr hohen Stellenwert für den Menschen – nicht nur im negativen, sondern natürlich auch im positiven Sinn. Sie sind starke Helfer der Ziele – also der Mittelpunkte. Sie steuern den Menschen mit und sind nicht wirklich immer unvernünftig. Was wäre der Mensch ohne die Gefühle?“

 

„Philosophen können schon zu merkwürdigen Schlüssen kommen“, schüttelte GP den Kopf.

 

Ich schwächte es mit meinem Motto etwas ab: „Was geschah, musste geschehen, wie es geschah.“

 

--- Kontrolle ---

 

„Warum hat das Bewusstsein einen so hohen Stellen­wert für viele Menschen?“, fragte er noch einmal.

 

„Weil diese oft glauben, sie würden alles damit entscheiden. Sie brauchen es für das Gefühl, dass sie absolut frei bestimmen können. Sie wollen nicht realisieren, dass die Ziele des Gehirns in ihnen geurteilt haben.

 

Dessen wollen sie sich auch gar nicht klarwerden, weil sie befürchten, dann nicht mehr die Kontrolle über sich zu haben.“

 

„Aber haben die Menschen denn überhaupt die Kontrolle über sich? Nach allem, was du ausgeführt hast, ist das Gehirn unendlich vielfältig und entscheidet ganz­heitlich mit den akuten Zielen.“

 

„Natürlich haben sie mehr oder weniger Kontrolle, denn die Ziele des ICH’s befinden sich, wie ich schon ausführte,  ebenfalls in der Psyche und spielen im Ablauf mit.

 

Das ICH kann bis zu bestimmten Grenzschwellen Bereiche der Psyche kontrollieren und, wenn notwendig, mit seinem Willen mehr oder weniger beeinflussen. Also über die Mittelpunkt-Mechanik andere Ziele in seiner Psyche überwinden.

Aber je stärker die Gefühle sind, umso schwieriger wird es.

Generell gilt: Je mehr in den Zielen die Gefühle die Macht haben, desto mühsamer hat es der Verstand, wenn Differenzen auftreten.

Dieser muss sich erklären – Gefühle nicht! Sie laufen nach den in ihnen liegenden Gesetzen ab, die es dem Verstand schwermachen können, Einfluss zu nehmen.

 

Das wird auch damit zusammenhängen, dass sich Menschen im Laufe ihrer Evolution mittels Gefühle entwickelt haben – der Verstand erst sehr viel später.

Auch daher – und weil es viel leichter ist, als den Verstand zu bemühen – wird oft das Gefühl bevorzugt.

 

 

Und: Es gibt natürlich etliche Mittelpunkte, die eine gewisse Stärke haben und sich nicht einfach vom ICH regieren lassen, wie etwa der Lebenstrieb.

 

So unterliegen viele Menschen einer übertriebenen Kontrollillusion.“

 

„Schließlich sollte man nicht vergessen: Je wichtiger eine Entscheidung ist, umso stärker wird sie bewusst“, wiederholte ich noch einmal. „Da den Menschen also jedes Mal diese Entscheidungen des Gehirns ins Bewusstsein kommen, sind sie der Meinung, dass sie selbst mit ihrem Bewusstsein entscheiden.

 

Darüber hinaus wussten die Menschen bis ins 19. Jahrhundert wenig über das Gehirn. Das änderte sich im 20. und besonders im 21. Jahrhundert durch den Siegeszug der Computer. Dadurch wurden nichtinvasive Methoden kreiert, wie etwa:

 

EEG (Elektroenzephalografie),

 

MRT (Magnetresonanztomographie),

 

fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie),

 

PET (Positronenemissionstomographie)

und CT (Computertomographie).

 

Diese Verfahren erlauben einen Einblick in das Gehirn und lieferten so Fakten, die vorher nicht bekannt waren.

 

Die alten Vorstellungen über das Bewusstsein, die Tausende von Jahren gelehrt wurden, sitzen aber noch heute in den Köpfen der Menschen und sind schwer zu ändern.“

 

--- Verurteilung ---

 

„Da steigt in mir eine Frage bezüglich krimineller Taten hoch“, fiel GP jetzt ein. „Die Justiz geht ja davon aus, dass der Mensch für seine Handlungen verantwortlich ist.

 

„Wenn jemand eine Tat begeht, dann ist er in diesem Zeitraum in einem verstärkten Mittelpunkt, und es ist dem Täter in der Regel nicht möglich, damit aufzu­hören: Das Ziel will sich erfüllen.“

"Kann das Bewusstsein die Auswirkungen nicht erfahren, wenn das Gehirn die Entscheidung getroffen hat?"

"Anschließend natürlich – aber unter dem Gesichtspunkt der Ziele des Gehirns, die derzeit vorherrschen, nicht.“

„Und er kann sich nicht selbst beobachten? Kann er sich nicht bewusstmachen, was er tut?“

 

„Im Augenblick der Tat ist der Mittelpunkt der kriminellen Tat in der Regel so stark, dass er alles andere unterdrückt.“

 

„Es ist wirklich merkwürdig, dass Menschen, während das Gehirn, genauer, der Mittelpunkt entscheidet, dies nicht bemerken und glauben, es kam vom  Bewusstsein – das als das ICH mit seinem ‚freien Willen‘ angesehen wird.“

 

„Genau dies glauben auch die Richter, weil sie davon ausgehen, wie du schon richtig sagst, dass das Bewusstsein alles entscheidet und der Wille frei ist, und beide die Tat hätten unterbinden können.“

  

„Aber, wenn das Gehirn seine Entscheidung getroffen hat, dann könnte das Bewusstsein doch durch Information signalisieren, dass dies verkehrt ist“, versuchte GP es noch mal.

„Dies schließt in der Regel das Ziel des Mittelpunktes aus. Und wenn, würde dies auch nur funktionieren, wenn diese Informationen vom Gehirn wahr- und angenommen werden, was nicht geschieht. 

Denn wie gesagt: Der Täter ist in einem Mittelpunkt. Dieser Mechanismus beherrscht ihn total, wenn auch eventuell nur sehr kurz. Hinzu kommt noch, dass die kriminelle Tat einen gewissen Ablauf in Gang gesetzt hat, der nicht so leicht zu stoppen ist.“

 

„Also könnte man in dem Moment gar keine Kritik äußern, weil alle anderen Mittelpunkte – die die Wahr­nehmung beeinflussen – kaum zum Tragen kommen“, schloss GP.

 

„Exakt. Diesen eventuellen Widerstand in einem kann es schwerlich geben, solange man im Mittelpunkt dieser Entscheidung ist, weil es dafür sorgt, dass man praktisch nichts anderes mehr wahrnimmt. Und, wie gesagt, er setzt alles andere im Wert auf nahezu null. Danach wird es einem oft bewusst, was man gemacht hat. Aber dann kann man es natürlich nicht mehr korrigieren.“

 

--- Freiheit / Determinismus ---

 

Einen Moment war es ruhig zwischen uns. Dann fuhr GP fort: „Kann man sagen: Jeder weiß, dass er Bewusstsein hat, aber kaum jemand konnte es bisher definieren?“

 

Ich nickte. „Obwohl dies eigentlich leicht ist, wenn man nicht total von seinen fixen Vorstellungen einge­nommen ist: Bewusstsein ist intensive Wahrnehmung mit seinen Sinnen, ganzheitlich oder im Detail.

 

Beim Bewusstsein geht es auch um das Thema der geistigen Freiheit des Menschen. Wenn sich herausstellen würde, dass alles nach Substanzen und Gesetzen abläuft, dann wäre auch alles determiniert, dann hätte der Mensch ‚quasi‘ keine Freiheit mehr und der freie Wille wäre auch nicht mehr da – aus der juristischen und philosophischen Sicht.“

 

„Und – stimmt das?“, fragte GP.

 

„Der Wille ist natürlich auch weiterhin da und spielt als Mittelpunkt eine wichtige Rolle im Leben des Menschen. Wille heißt ja, besonders starke Ziele für das ICH zu bilden, dass sich ja ebenfalls im Gehirn befindet.

 

Und Freiheit hätte der Mensch auch weiterhin – weil er nicht alles weiß. Und wer nicht alles weiß, ist gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Dieses Nicht­wissen ist seine Freiheit, die der Mensch auch nicht verlieren wird, weil er niemals alles wissen kann.

 

Aber Bewusstsein und freier Wille im bisherigen Sinne müsste aufgegeben werden.

 

Und Tatsache ist letztlich, dass alles aus Substanzen besteht, die nach Gesetzen ablaufen, und infolgedessen, dass alles vorbestimmt ist.“

 

„Du meinst nicht die Freiheit, die aus dem Nichts käme, sondern die Freiheit der Möglichkeiten, die man hat. Ist das letztlich Freiheit?“, fragte GP.

 

„Es ist eine Quasi-Freiheit“, antwortete ich. „Es ist auf jeden Fall ein Irrtum zu glauben, dass es eine Freiheit gibt, die aus dem Nichts oder durch einen unfassbaren Geist kommt.“

 

 

Noch eine Bemerkung zum „Geist": Einen Geist, im Sinne eines immateriellen Wesens, den unsere Vorfahren innerlich empfunden und dann nach außen projiziert hatten, weil die Funktionsweisen des Gehirns – auch bezüglich der Mittelpunkt-Mechanik – ihnen völlig unbekannt waren, gibt es lediglich in den Menschen. Alles andere sind Projektionen, die in der Realität keinerlei Substanz haben.

 

Die Geister in einem Selbst sind die Mittelpunkte.

Sie können schnell entstehen und vergehen, im jeweiligen Kontext bezüglich einer gewissen Wertigkeit mehr oder weniger mitspielen und gestalten den Menschen.

 

Mittelpunkte haben die Fähigkeit, dem Menschen plötzlich eine Welt zu zeigen, die von der Gewohnten völlig verschieden ist.

 

 

--- Ich, Es, Über-Ich ---

 

GP überlegte: „Es gibt ja auch eine Menge Theorien darüber, was sich im Menschen psychisch abspielt.“

„Das kann man wohl sagen. Ich möchte einmal ein Beispiel nennen: Es wurde versucht, die Psyche, also die Gesamtheit der Ziele und deren Mittelpunkte im Menschen, die über Neuronennetzwerke wirken, aufzuteilen. Etwa in Ich, Es, Über-Ich, wie Sigmund Freud es getan hat.

Er schrieb: „Der psychoanalytische ‚Trieb‘ liegt damit sämtlichen Lebensäußerungen – gleich auf welcher ausdifferenzierten Ebene – zugrunde.“

 

Hätte er statt Trieb, Ziele gesagt, wäre er der Wahrheit sehr nahegekommen. Triebe spielen natürlich auch ihre Rolle, sind aber letztlich auch nur Ziele. Und alles auf Triebe zu reduzieren, führt nicht zur Realität der Psyche.

 

Dies trifft also nicht den Kern der Wirklichkeit.

Diese ist, dass das gesamte Gehirn (zu dem u. a. auch das sogenannte Bauchgehirn zählt) ein dynamisches System ist, in dem die Mittelpunkte alle miteinander mehr oder weniger – und abhängig von dem jeweiligen Thema – kommunizieren.

Wenn man mit drei Begriffen (Selbst, Ich, Über-Ich) die Psyche einteilt, und diese noch als jeweils eigenständige Bereiche versteht, ist es als Erklärung der Seele problematisch und zur Diagnose der komplizierten psychischen Abläufe unbrauchbar.

Jeder einzelne Bestandteil dieser Begriffe hat sich weniger aus Trieben, sondern aus Zielen zu einem Neuronennetz entwickelt, das sich im Gehirn befindet, und korreliert auch, in der Regel unbewusst, mit anderen.

Es gibt also nicht drei große Bereiche in der Psyche, sondern eine Unmenge an Zielen, die miteinander verbunden sind:

In jedem Lebewesen befindet sich ein Spektrum an Zielen, die sich relativieren, ablösen, miteinander verbinden, gemeinsam agierende Gruppen bilden, überdecken, um die Vorherrschaft ringen und sich in einer teilweise abwechselnden Hierarchie ordnen. Ziele kommen hinzu, andere verändern sich oder erlöschen. Jedes Ziel hat bzw. erzeugt, wenn andere Ziele hiervon berührt werden und Gefahr laufen, beeinträchtigt zu werden, seine Gegenspieler. Und jede Handlung erfolgt durch ein Bündel von Zielen, die jeweils Strukturen entwickeln, Kompromisse schließen, sich verstärken oder abschwächen. Viele Ziele ändern sich im Laufe des Lebens, bis auf die ganz tiefliegenden, z. B. der Lebenstrieb. Dieser bleibt in aller Regel immer bestehen, auch wenn man sehr alt ist.

In diesem Lebensraum bilden sich die Verhaltensweisen: Aktionen, Planung, Handeln usw., das Treiben der Triebe, und die Gefühle des Gewissens.

Diese sind nicht abgegrenzt, sondern unterliegen u.a. den Gesetzen der Mittelpunkt-Mechanik.

 

  • In diesem Beispiel soll das ‚Ichʻ das Bewusstsein sein, das regelnd in Abläufe der Triebe, Bedürfnisse und Affekte eingreift. Darüber hinaus hat es die Aufgabe, soziale Normen, Werte, Gehorsam, Moral zu beachten. 

Dazu kann man sagen, dass das Bewusstsein (also die Sinne) lediglich Informationen an das Gehirn liefert, die es durch intensive Wahrnehmung aufgenommen hat und die dann von den jeweiligen Mittelpunkten mehr oder weniger verarbeitet werden – was früher nicht bekannt war. Das ICH ist mit seinen Zielen und Mittelpunkten im Gehirn vertreten und diese können u. U. regelnd in die Abläufe der Psyche eingreifen.

 

Und wie gesagt: Das Bewusstsein ist nicht das ICH.

 

  • Das ‚Es‘ soll in diesem Fall das Unbewusste repräsentieren, dessen Inhalt die Triebe, Bedürfnisse und Affekte sind.

 

Dazu kann man sagen, dass das, was einem unbewusst ist, sehr viel mehr beinhaltet als diese drei Bereiche, nämlich unzählige Neuronennetzwerke, Handlungsabläufe, Kommunikationseinstellungen, Anpassung an die jeweilige Umwelt usw.

 

Es ist auch nicht so, dass dies unbedingt unbewusst bleiben muss, sondern alle diese Aktionen werden, wenn sie einen gewissen Schwellenwert überschreiten (können), bewusst.

 

  • Das ‚Über-Ich‘ schließlich stellt in dem Modell die Moral, die gesellschaftlichen Normen und das Gewissen dar, die korrigierend in die Abläufe des Es, also der Triebe, Bedürfnisse, Affekte eingreifen soll.

 

Dazu kann man sagen, dass Moralvorstellungen in Zielen gespeichert sind, ebenso wie soziale Normen usw. Das Gewissen sind Gefühle, die über Bewertungen von gut oder böse ausgelöst werden, die ebenfalls von Zielen generiert werden.

 

„Gewissensbisse entstehen also, wenn man sich nicht den Moralvorstellungen, die sich in einem gebildet haben, entsprechend verhalten hat“, folgerte GP.

 

Ich nickte. „Und wenn man etwa eine Tat beging, mit der man sich seiner Ansicht nach schuldig gemacht hat.“

  

 

„Warum wurden solche Theorien in die Welt gesetzt?“, fragte GP. „Sie bilden doch wirklich nicht die kompli­zierten Abläufe im Gehirn ab.“

 

„Man wusste es damals nicht anders, es haben sich nach dem Wissen jener Zeit Theorien gebildet, die, wie diese, auf fruchtbaren Boden fielen, weil hier die Rolle des Unbewussten zum ersten Mal deutlicher dargestellt wurde.

 

Bis dahin hatte man mehr oder weniger gedacht, dass man sich ausschließlich selbst mit seinem Bewusstsein beherrscht. Diese Theorie war etwas Neues, die Zeit war reif dafür und es war sehr einfach ausgedrückt.

 

Je einfacher Theorien sind,  Fragen beantworten und Erwartungen erfüllen, die den Menschen passen, ohne viel nachdenken zu müssen, umso schneller können sie populär werden.

 

Freud hatte auf das Unbewusste in der Psyche aufmerksam gemacht, und es so dargestellt, dass das ICH mit seinem Bewusstsein der Herr über sich selbst ist, bzw. mit seinem Willen sein kann.

 

Dies verletzte nicht das Bild des Menschen von sich selbst.

 

 

Die Zeit war auch deswegen reif, weil zu der damaligen Zeit die Prüderie auf die Spitze getrieben wurde, was zu sexuellen Neurosen führte. Das war ein starker Mittelpunkt zu dieser Theoriebildung. Antrieb bekam er auch von dem Ziel der sexuellen Befreiung.

 

Solche Theorien können sich lange halten – wie Gewohnheiten. Und wurden auch lange verteidigt.

 

Freud hat, wie gesagt, darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen nicht immer Herr im eigenen Haus sind – weil unbewusste Strömungen die Kontrolle übernehmen können.

 

Mit seiner Einteilung der Psyche in drei separate Bereiche traf er aber leider nicht die Tatsachen.

Denn die Psyche entsteht durch Ziele, die zum Erreichen Neuronennetze (Mittelpunkte) bilden. Von diesen entwickeln sich unzählige, um in der Welt zu überleben und sich anpassen zu können.

Alle sind miteinander mehr oder weniger verbunden und agieren besonders in Abhängigkeit von den aktuellen Zielen. 

 

 

 

Und noch ein Wort zu den Träumen:

Wenn man sich fragt, was sollen uns die Träume zeigen, dann ist die Antwort: Sie sagen uns wenig Nützliches. Weil dies weder deren Aufgabe ist, noch der Verstand mitspielt.

Was man träumt, ist also weniger für die eigene Erkenntnis wesentlich, als das, wie man selbst seine Träume deutet.

Denn dann werden, durch das Forschen auch in seinem tieferen SELBST, eventuell Ziele berührt, die sonst nur, unbewusst, im großen Konzert der Psyche mitspielen können. Weil sie im Wachgeschehen, in der Regel, von den Mittelpunkten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht wahrgenommen werden (können).

 

Zum Beispiel:

Im Gegensatz zum Wachsein, wo Anpassungsziele mit dem Großhirn dominieren, geht es im Traum um Themen des jeweiligen Lebewesens, die nicht mehr von den Mittelpunkten beeinflusst werden. Das Großhirn spielt hier unter anderem keine Rolle, weil es weitgehend stillgelegt ist. So werden die Fantasien der Träume als Realität wahrgenommen.

Im Schlaf geht es um die Erholung vom Wachzustand, in dem man ständig vom Mittelpunkt in Strukturen zurückgebracht werden kann.

Im Traum geht es um das Weiterwirken der Sinne, die nun nach innen gerichtet sind. Da etliche Funktionen des Gehirns stillgelegt sind, zeigen sie Themen und Prozesse, die nicht auf ein Endergebnis ausgerichtet sind – wie die Ziele (obwohl auch hier nur Stoffe nach Gesetzen ablaufen).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Superstition

 

thinking

 

trauma

 

truth and faith

 

Values

 

yin and yang

 

 

What kind of reader would you characterize yourself as?

 

1. I can't understand this.

2. I don't want to understand that because it doesn't fit my own worldview. (So, not to the aims that created this.)

3. I use my cognitive abilities to understand it.

4. I has judged beforehand and thinks I alredy understands everything.